Corona I: Arbeitsrechtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus
27. Februar 2020 | Arbeitsrecht
Der Corona-Virus sorgt aufgrund seiner schnellen Ausbreitung, zuletzt auch in Europa, derzeit für viele Fragen und Sorgen. Diese stellen sich und teilen auch Arbeitgeber, insbesondere dann, wenn sie geschäftliche Kontakte in Risikogebiete pflegen. Aber auch ohne diese Kontakte ist es nach dem vermehrten Auftreten in verschiedenen Regionen Deutschlands nicht mehr ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter bereits angesteckt haben oder anstecken. Was aus arbeitsrechtlicher Sicht im Fall einer (möglichen) Ansteckung eines Mitarbeiters gilt, haben wir nachfolgend kurz zusammengefasst:
1. Wann kann der Arbeitgeber Mitarbeiter nach Hause schicken?
Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht (arbeitsvertragliche Nebenpflicht). Danach gilt grundsätzlich, dass der Arbeitgeber einen Mitarbeiter jedenfalls dann nach Hause schicken kann, wenn er krank zur Arbeit erschienen ist.
Die aktuelle Situation des Corona-Virus geht über das allgemeine Lebensrisiko (allgemeine Ansteckungsgefahr) hinaus. Die Inkubationszeit des Virus dauert bis zu 14 Tage nach jetzigen Erkenntnissen. Insoweit steht dem Arbeitgeber auch ein Fragerecht zu, ob sich ein Mitarbeiter in einem Risikogebiet aufgehalten hat. Sind Mitarbeiter aus einem Risikogebiet zurückgekehrt, kann eine Infektion nicht ausgeschlossen werden und der Arbeitgeber kann sicherheitshalber anordnen, dass die betroffenen Mitarbeiter für einige Zeit zuhause bleiben.
In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Belegschaft über etwaige Infektions- und Erkrankungsrisiken aufzuklären. Im Übrigen treffen den Arbeitgeber weitere, ggf. erhöhte Fürsorgepflichten. Hierzu können u.a. die Einführung und Einhaltung von bestimmten Hygienevorschriften, z.B. Desinfektionsmittel und Hygieneempfehlungen, gehören.
2. Wie sieht es mit einer Entgeltfortzahlung aus?
Schickt der Arbeitgeber den Mitarbeiter vorsichtshalber nach Hause, besteht der Vergütungsanspruch weiter. Gleiches würde gelten, wenn der Arbeitgeber als Schutzmaßnahme den Betrieb vorübergehend vollständig schließt.
Liegt ein Krankheitsfall vor, greift die Entgeltfortzahlung nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz.
Wird ein Mitarbeiter hingegen aufgrund eines Ansteckungsverdachts unter Quarantäne gestellt, erfolgt dies auf behördliche Anordnung (§ 56 Infektionsschutzgesetz). Der Arbeitgeber ist auch in diesem Fall zur 6-wöchigen Entgeltfortzahlung verpflichtet. Der Betrag wird allerdings von der anordnenden Behörde auf Antrag erstattet. Hierbei ist die 3-monatige Frist zu beachten.
Denkbar ist aber ein Wegfall der Entgeltfortzahlung, wenn der Arbeitnehmer den Krankheitsfall selbst verschuldet hat. Reist ein Arbeitnehmer also in ein Risikogebiet und infiziert sich dort mit dem Virus, kann ihm unter Umständen ein Verschuldensvorwurf (Obliegenheitsverletzung) gemacht werden. Ob der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt als Maßstab des Verschuldensvorwurfs eingehalten hat, wenn er unter den gegebenen Umständen ein Risikogebiet als Reiseziel auswählt, lässt sich aus Arbeitgebersicht zumindest bezweifeln. Reisewarnungen wurden bereits zum Teil vom Auswärtigen Amt ausgesprochen.
3. Kann der Arbeitgeber private Reisen in Risikogebiete untersagen?
Dem Arbeitgeber steht nicht das Recht zu, dem Arbeitnehmer eine Privatreise in ein Risikogebiet zu untersagen. Selbst wenn es für ein Urlaubsland eine vom auswärtigem Amt ausgesprochene Reisewarnung gibt, können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine Reise dorthin nicht verbieten. Ein derartiger Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers ist auch unter den aktuellen Umständen nicht gerechtfertigt.
4. Was kann der Arbeitgeber nach der Rückkehr tun? Arztbesuche vorschreiben?
Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht ohne weiteres verpflichten, einen Arzt aufzusuchen. Etwas anderes kann sich aber aus dem Arbeitsvertrag, dem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben, wenn dort eine entsprechende Regelung vereinbart wurde. Fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung, kann sich zumindest aus der gegenseitigen Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht (als arbeitsvertragliche Nebenpflicht) ein Anordnungsrecht des Arbeitgebers und eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers ergeben.
Für den konkreten Fall, dass ein Arbeitnehmer von einer Privatreise in ein Risikogebiet zurückkehrt, dürfte dem Arbeitgeber das Recht zustehen, den Arbeitnehmer zu einem Arztbesuch zwecks "Entwarnung" zu verpflichten. Der Arbeitnehmer wäre auch verpflichtet, das Ergebnis dieser konkreten Diagnose offenzulegen bzw. den Arzt diesbezüglich von der Schweigepflicht zu befreien. Die Kenntnis über die Reise in ein Risikogebiet löst bei dem Arbeitgeber eine gesteigerte Fürsorgepflicht aus (allgemeine Nebenpflicht zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen und zur Risikominimierung gemäß §§ 242 Abs. 2, 618 BGB), mit der auch eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers (ebenfalls arbeitsvertragliche Nebenpflicht) korrespondiert.
5. Empfohlene Arbeitsanweisung
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen empfehlen wir zum kurzfristigen Erlass einer gesonderten und generellen Arbeitsanweisung mit vorsorglichen Sicherheitsmaßnahmen zum Corona-Virus (COVID-19) bzw. (ergänzend) zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung.
Bei rechtlichen Fragen rund um diese Themen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. KSB INTAX ist der Ansprechpartner für den Mittelstand in Norddeutschland. Wir unterstützen Sie gerne.