Arbeitszeiterfassung – Update!
07. Dezember 2022 | Arbeitsrecht
Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungsgründe zur arbeitgeberseitigen Verantwortung und Pflicht zur Arbeitszeiterfassung veröffentlicht! Arbeitgeber haben die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts danach mit sofortiger Wirkung umzusetzen und sollten ihre arbeitszeitbezogene Praxis daher auf den Prüfstand stellen und ggf. neu ausrichten.
Zum Hintergrund: Das Bundesarbeitsgericht (nachfolgend „BAG“) hat mit seinem Beschluss vom 13.09.2022 (Az.: 1 ABR 21/22) entschieden, dass Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG gesetzlich verpflichtet sind, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend gemeinsam „Arbeitnehmer“) zu erfassen (vgl. hierzu bereits unseren damaligen Blog-Beitrag unter: https://www.ksb-intax.de/blog/arbeitszeiterfassung-entscheidung-des-bundesarbeitsgerichts-zur-zeiterfassung/). Nachfolgend fassen wir die wesentlichen Erkenntnisse aus der Entscheidungsbegründung für Sie zusammen:
Pflicht zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems
Eine Arbeitszeiterfassung im Sinne des § 16 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes, nach der nur die Zeit erfasst wird, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinaus geht, ist danach nicht (mehr) ausreichend.
Vielmehr hat der Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes nach § 3 Abs. 1 ArbSchG zur Planung und Durchführung der Maßnahmen unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine „geeignete Organisation“ zu sorgen und die „erforderlichen Mittel“ bereitzustellen. Dies umfasst – so das BAG – bei europarechtskonformer Betrachtung auch die Verpflichtung des Arbeitgebers, ein System zur Erfassung der Arbeitszeit vorzuhalten bzw. einzuführen.
Arbeitszeiterfassungssystem muss genutzt werden
Das BAG stellt ergänzend klar, dass sich die Pflicht des Arbeitgebers zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems nicht darauf beschränkt, ein entsprechendes System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung zu stellen. Vielmehr müssen die Arbeitnehmer von diesem System auch tatsächlich Gebrauch machen bzw. dieses verwenden, was der Arbeitgeber nachzuhalten hat.
Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit
Aus der Arbeitszeiterfassung für sich genommen müssen sich der Arbeitsbeginn, das Arbeitsende und die Arbeitszeitdauer ergeben. Der Arbeitsbeginn ist die erstmalige Tätigkeitsaufnahme und das Arbeitsende die letzte abgeschlossene bzw. beendete Tätigkeit betreffend den jeweiligen Arbeitstag. Mit Rücksicht auf flexible Arbeitszeitmodelle muss sich die Arbeitszeitdauer nicht zwingend aus der Differenz zwischen dem Arbeitsende und dem Arbeitsbeginn ergeben, da diese z.B. im Rahmen einer (vereinbarten) Vertrauensarbeitszeit zwischenzeitlich auch unterbrochen sein kann. Vor diesem Hintergrund wäre auch die Arbeitszeitdauer bzw. die tatsächlich an einem Arbeitstag geleistete Gesamtarbeitszeit zu erfassen, also die ab dem Arbeitsbeginn bis zum Arbeitsende abzüglich etwaiger Unterbrechungen und Pausen geleistete Arbeitszeit.
Keine Arbeitszeiterfassungspflicht für leitende Angestellte
Die Verpflichtung zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems bezieht sich auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG, allerdings nicht auf die leitenden Angestellten, die auch nicht dem Anwendungsbereich des Arbeitszeitgesetzes unterfallen.
In diesem Zusammenhang führt das BAG auch aus, dass der Gesetzgeber – wenn er Neuregelungen zur Arbeitszeit und deren Erfassung schafft – für bestimmte Arbeitnehmer auch bestimmte Ausnahmen vorsehen kann. Dies sei zum Beispiel dann sinnvoll, wenn die Dauer der Arbeitszeit wegen besonderer Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht bemessen und/oder vorherbestimmt werden kann. Hinsichtlich der gewünschten legislatorischen Rechtsklarheit müssen Unternehmen allerdings noch auf den entsprechenden Akt des Gesetzgebers warten.
Es gibt für Unternehmen (auch) gute Nachrichten: Gestaltungsspielraum des Arbeitsgebers bei der Art und Weise der Zeiterfassung
Das Arbeitszeiterfassungssystem muss auch nach den europarechtlichen Vorgaben des EuGH ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System sein. Arbeitgeber haben demnach – solange vom Gesetzgeber keine abweichende Regelung getroffen wird – einen Spielraum bei der Entscheidung über die „Form“ des Zeiterfassungssystems.
Bei der Gestaltung sollten die Besonderheiten der jeweiligen Tätigkeitsbereiche und nicht zuletzt auch die Größe des Unternehmens berücksichtigt werden. Eine elektronische Zeiterfassung ist dabei allerdings nicht zwingend, sodass grundsätzlich auch eine Aufzeichnung in Papierform zulässig wäre.
Delegation auf Arbeitnehmer zulässig
Wenngleich der Arbeitgeber zur Einrichtung bzw. zum Vorhalten eines Zeiterfassungssystems – in der geeigneten Form – verpflichtet ist, so ist zumindest (weiterhin) zulässig, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren
Zur Frage der Mitbestimmung bei Existenz eines Betriebsrates:
Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, ist – vorbehaltlich zukünftig abweichender Gesetzesvorgaben – bei der Ausgestaltung des zu verwendenden Systems hinsichtlich der Art und Weise der Zeiterfassung das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu beachten. Der Betriebsrat kann nach der jüngsten Rechtsprechung allerdings nicht die Einführung einer Zeiterfassung in elektronischer Form verlangen.
Haben Sie hierzu rechtliche Fragen bzw. benötigen Sie für die Umsetzung rechtliche Unterstützung? Sprechen Sie uns gerne einfach an. Wir unterstützen Sie gerne!