Betriebliches Eingliederungsmanagment (bEM) – Nach dem bEM ist vor dem bEM!
19. April 2022 | Arbeitsrecht
Ist ein Arbeitnehmer mehr als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt, hat der Arbeitgeber gemäß § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX die Pflicht, dem Arbeitnehmer ein bEM anzubieten. Dies gilt auch, wenn der betroffene Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines vorherigen bEM wiederholt länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist.
1.
Der Gesetzgeber legt in § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX bekanntlich keine konkreten inhaltlichen Anforderungen oder bestimmte Verfahrensschritte für ein bEM fest. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass das bEM – von der Einleitung bis zum Abschluss – sehr fehleranfällig ist und sich diesbezüglich eine umfangreiche Kasuistik herausgebildet hat.
Mit seiner Entscheidung vom 18.11.2021 (Az. 2 AZR 138/21) hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass ein durchgeführtes bEM keinem „Mindesthaltbarkeitsdatum“ unterliegt. Ist ein Arbeitnehmer nach einem abgeschlossenen bEM innerhalb eines Jahres erneut länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, ist daher ein weiteres bEM durchzuführen.
In diesem Zusammenhang erteilt das Bundesarbeitsgericht zugleich nicht abschließende Hinweise zu der Frage, wann ein bEM als abgeschlossen betrachtet werden könne. Das Gesetz sehe das bEM als einen verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess vor, mit dem individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung von zukünftigen Arbeitsausfällen ausgemacht werden sollen, wobei das Gesetz den Abschluss des Suchprozesses nicht konkretisiere. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts soll ein bEM jedenfalls dann abgeschlossen sein, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind, dass der Suchprozess durchgeführt wurde oder nicht (mehr) weitergeführt werden soll. Dies gelte entsprechend, wenn allein der Arbeitnehmer seine Zustimmung für die weitere Durchführung nicht (mehr) erteilt. Der Arbeitgeber könne den Suchprozess grundsätzlich nicht einseitig beenden. Gibt es aus Arbeitgebersicht keine Ansätze mehr für zielführende Präventionsmaßnahmen, so sei der Klärungsprozess erst dann als abgeschlossen zu betrachten, wenn auch vom Arbeitnehmer und den übrigen beteiligten Stellen keine ernsthafte weiterzuverfolgenden Ansätze für zielführende Präventionsmaßnahmen aufgezeigt wurden, wobei ihnen hierfür ggf. auch noch Gelegenheit binnen einer bestimmten Frist zu geben sei.
2.
Das bEM ist zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Allerdings hat die fehlerhafte (Nicht-)Durchführung eines bEM für den Arbeitgeber nicht unerhebliche Auswirkungen im Kündigungsschutzprozess. Denn er muss in diesem Fall detailliert darlegen, weshalb der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitslatz und/oder eine leidensgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes nicht möglich war und damit darlegen, dass ein bEM objektiv nutzlos gewesen wäre.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich, das bEM sorgfältig vorzubereiten und entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung durchzuführen. Auch bereits etablierte Prozesse sind daher von Zeit zu Zeit auf Aktualität zu überprüfen und ggf. anzupassen.
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