Bundesgerichtshof: E-Mails im unternehmerischen Geschäftsverkehr gelten als zugegangen sobald sie auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit sind!
14. November 2022 | Compliance, Unternehmensrecht, Vertragsrecht
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem veröffentlichten Urteil vom 06.10.2022 (Az. VII ZR 895/21) entschieden, dass eine E-Mail, die im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird, dem Empfänger grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zugegangen ist. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und vom Empfänger zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich.
Zugang von Willenserklärungen
Wann im Geschäftsleben eine Willenserklärung zugegangen ist, hat der deutsche Gesetzgeber grundsätzlich abschließend geklärt: Nach § 130 Abs. 1 BGB ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Der Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden setzt dabei voraus, dass die Willenserklärung so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.
Die Frage wann eine Willenserklärung in Form einer E-Mail grundsätzlich als zugegangen gilt, d.h. so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, ist in der Rechtsprechung umstritten und noch nicht abschließend geklärt.
Unternehmerischer Geschäftsverkehr
Der BGH hat nun zumindest für E-Mails im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine Entscheidung getroffen. Danach gilt eine E-Mail, die innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird, in diesem Zeitpunkt als zugegangen. Nach Ansicht der Karlsruher Richter sei die E-Mail nämlich so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen kann. Es komme nicht darauf an, ob die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird. Das Gericht begründet diese Ansicht damit, dass Unternehmer durch die Veröffentlichung ihrer E-Mail-Adresse zum Ausdruck bringen, Rechtsgeschäfte mittels elektronischer Erklärungen in Form von E-Mails abschließen zu wollen. Der für den Empfang von E-Mails genutzte Mailserver sei daher als Machtbereich des Unternehmers anzusehen, in dem ihm Willenserklärungen in elektronischer Form zugehen können.
Das Urteil des BGHs sorgt im Bereich „Business-to-Business“ zumindest für teilweise Klarheit im elektronischen Geschäftsverkehr. Als Empfänger einer E-Mail gilt es zu beachten, dass diese im juristischen Sinne auch schon bereits vor der Kenntnisnahme als zugegangen gelten kann. Als Absender sollte bei fristgebundenen Erklärungen, die dem Geschäftspartner am letzten Tag der Frist per E-Mail übermittelt werden, bedacht werden, dass ein rechtzeitiger Zugang nur dann gewährleistet werden kann, wenn die E-Mail noch innerhalb der üblichen Geschäftszeiten übermittelt wird.
Haben Sie hierzu rechtliche Fragen? Wir unterstützen Sie gern. Sprechen Sie uns einfach an!