Corona XXXIX: „Und wer bezahlt die Rechnung?“ – Vergütungsansprüche bei der Rückkehr von Arbeitnehmern (m/w/d) aus einem Risikogebiet und anschließender Quarantäne
31. August 2020 | Arbeitsrecht
Begeben sich Arbeitnehmer (m/w/d) während der Corona Pandemie bewusst in ein Risiko(gebiet), stellt sich die Frage, ob nach deren Rückkehr und anschließenden Quarantäne Vergütungsansprüche bestehen.
Natürlich kommt es immer auf den Einzelfall an. Folgende Beurteilungsgrundsätze können insoweit aber als Orientierung dienen:
1.
Befinden sich Arbeitnehmer (m/w/d) in Quarantäne, ohne selbst krank zu sein, hängt der Vergütungsanspruch zunächst davon ab, ob die Arbeitsleistung gleichwohl erbracht werden kann. Besteht nämlich die Möglichkeit, im Homeoffice während der Quarantänezeit arbeitsvertragliche Pflichten zu erfüllen, besteht bei entsprechender Leistung auch ein Vergütungsanspruch.
2.
Können Arbeitnehmer (m/w/d) dagegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten nicht erfüllen, gilt der arbeitsrechtliche Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz folgt bei einer wissentlichen Reise in ein Risikogebiet auch nicht aus der Vorschrift des § 616 BGB. Denn danach bleibt der Anspruch auf Vergütung bei vorübergehender Arbeitsverhinderung nur bestehen, wenn diese ohne Verschulden der betreffenden Arbeitnehmer (m/w/d) eingetreten ist. Wer also „sehenden Auges“ in ein Risikogebiet fährt, muss mit einem Verschuldensvorwurf rechnen.
3.
Die Ansteckung mit COVID-19 ist in der Regel ein Fall des § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz. Danach steht Arbeitnehmern (m/w/d) ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu, wenn diese infolge von Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind. Allerdings setzt auch hier der Anspruch voraus, dass der Arbeitnehmer ohne sein eigenes Verschulden arbeitsunfähig geworden ist. Der Entgeltfortzahlungsanspruch ist also ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer den Krankheitsfall selbst verschuldet hat.
Ein solches Verschulden ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer in erheblichen Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstoßen hat. Dieser Verschuldensmaßstab der Rechtsprechung kann bei einer Reise in ein Risikogebiet aus rein touristischen Zwecken erfüllt sein.
4.
Nach § 56 Abs. 1 S. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhalten Personen, die sich aufgrund des Infektionsschutzgesetzes in häuslicher Quarantäne befinden, eine Entschädigung für ihren Verdienstausfall.
Der Entschädigungsanspruch gilt aber nicht uneingeschränkt. So sieht der § 56 Abs.1 S. 3 IfSG vor, dass eine Entschädigung nicht erhält, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung oder anderen Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.
Kurzum: Wer seine Quarantäne durch die Nichtbefolgung öffentlicher Empfehlungen mitverursacht hat, enthält keine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz.
Sowohl das Robert-Koch-Institut als auch das Auswärtige Amt geben Empfehlungen gegen Reisen in Risikogebiete. Wer sich an diese nicht hält und bewusst bzw. geplant seinen Urlaub in einem solchen Risikogebiet verbringt, erfüllt die Voraussetzung des § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG.
Ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz besteht in diesem Fall nicht.
5.
Sind Reiserückkehrer infolge einer nach Urlaubsantritt erfolgter Einstufung als Risikogebiet verpflichtet, sich in Quarantäne zu begeben, besteht in einer solchen Konstellation regelmäßig ein Anspruch auf eine Entschädigung für den Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG. Bei einer Einstufung als Risikogebiet erst nach der Anreise in das jeweilige Risikogebiet hat sich der Reiserückkehrer nicht eigenverantwortlich – entgegen öffentlicher Empfehlungen – in die Quarantänesituation gebracht.
Nach alledem steht fest, dass es – entgegen vereinzelter Annahmen – keinen „Quarantäneurlaub“ gibt. Vielmehr gilt auch für Arbeitnehmer (m/w/d), dass diese auf die Interessen des Arbeitgebers und der Kollegen (m/w/d) in angemessener und zumutbarer Weise Rücksicht nehmen müssen.
Autoren dieses Beitrags sind Rudolf Tschense, Rechtsanwalt und Dr. Björn Bogner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht.
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