Corona XXX: Verwaltungsgericht Hamburg erklärt Verkaufsflächenbegrenzung auf 800 Quadratmeter vorläufig für rechtswidrig
24. April 2020 | Öffentliches Recht
Am 15. April 2020 haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die strengen Corona-Maßnahmen leicht zu lockern und die Wirtschaft langsam wieder hochzufahren. Eine der getroffenen Vereinbarungen umfasste in Ziffer 10 die Erlaubnis zur Wiedereröffnung von Geschäften bis zu 800 Quadratmeter Verkaufsfläche. Größere Geschäfte sollten hingegen weiterhin geschlossen bleiben oder ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter reduzieren. Eine entsprechende Regelung haben die Länder sodann in ihren jeweiligen Landesrechtsverordnungen implementiert. So auch in der Freien und Hansestadt Hamburg. Zu Unrecht wie jetzt das Verwaltungsgericht Hamburg vorläufig im Beschlusswege entschied.
Der Fall
Das Verwaltungsgericht Hamburg (Beschluss vom 21.04.2020 – Az. 3 E 1675/20) hatte im Wege der einstweiligen Anordnung über die Gültigkeit der Bestimmung des § 8 Absatz 1 in der Zweiten Verordnung zur Änderung der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO – in der Fassung vom 17.04.2020 zu befinden.
§ 8 Absatz 1 der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO sieht nunmehr vor:
„Der Betrieb von Verkaufsstellen des Einzelhandels, deren Verkaufsfläche nicht auf 800 Quadratmeter begrenzt ist, ist für den Publikumsverkehr untersagt, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist. Zulässig ist die Reduzierung auf 800 Quadratmeter einer ansonsten größeren Verkaufsfläche. […]“
Gegen diese Regelung wandte sich ein Sportgeschäft in der Hamburger Innenstadt mit einer Verkaufsfläche von über 3.000 Quadratmetern, welches seine Verkaufsfläche nicht auf nur 800 Quadratmeter reduzieren, sondern vielmehr mit der – baurechtlich genehmigten – vollen Verkaufsfläche betreiben wollte.
Das VG Hamburg folgte dem Antrag und erklärte die Regelung in § 8 Absatz 1 der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO wegen Verletzung des Antragstellers in seinem Recht auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Absatz 1 Satz 1 GG, einfachgesetzlich konkretisiert durch die Gewerbefreiheit des § 1 Absatz 1 Ge-wO sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Absatz 1 GG für rechts-widrig.
Fehlende Geeignetheit der 800-Quadratmeter-Regelung zum Infektionsschutz
Das VG Hamburg sah die 800-Quadratmeter-Regelung bereits als ungeeignet an, den verfolgten Zweck des Infektionsschutzes zu fördern. Das VG geht sogar einen Schritt weiter und trägt die Überzeugung, der Schutz in großen Geschäften sei aufgrund des vorhandenen großzügigeren Platzangebots und den damit verbundenen Möglichkeiten der physischen Distanzierung „zumindest ebenso gut oder sogar besser als in kleineren Einrichtungen“ erreichbar. Vor diesem Hintergrund stelle die Regelung in § 8 Absatz 1 der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO eine unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit dar.
Keine gesicherte Tatsachenbasis für erhöhte Besucherströme
Außerdem nahm das VG Hamburg dem Einwand der Freien und Hansestadt Hamburg den Wind aus den Segeln, dass von großflächigen Einzelhandelsgeschäften eine hohe Anziehungskraft für potenzielle Kunden mit der Folge ausgehe, dass allein deshalb zahlreiche Menschen die Straßen der Innenstadt und die Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs benutzen werden. Vielmehr sei die Frage der Anziehungskraft eines Geschäfts nicht von seiner Größe, sondern der Attraktivität des Warenangebots abhängig. Ausgehend hiervon sei „eine messbare Erhöhung dieser [Infektions-]Gefahren durch die zusätzliche Öffnung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben [bereits] nicht erkennbar“.
Vergleich zu Auto- und Möbelhandeln belegt Erfordernis der Öffnung größerer Verkaufsflächen
Darüber hinaus zieht das VG Hamburg bei der Frage der Anziehungskraft einen Vergleich zum Auto- und Möbelhandel. So seien gerade diese auf großflächige Verkaufsstellen angewiesen, um ihre Produkte überhaupt verkaufen zu können, ohne dass jedoch von ihnen eine besondere Anziehung auf eine Vielzahl potenzieller Kundinnen und Kunden ausgehe.
Mildere Maßnahmen durch Einhaltung von 1,5 m Mindestabständen und Mund-/Nasenbedeckung im öffentlichen Raum vorhanden
Schließlich hat das VG Hamburg der Regelung in § 8 Absatz 1 der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO auch die Erforderlichkeit abgesprochen. So existierten durch konsequente Einhaltung von 1,5 m Mindestabständen und Mund-/Nasenbedeckung im öffentlichen Raum ebenso geeignete, aber mildere Maß-nahmen im Vergleich zur Begrenzung der maximal zulässigen Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter.
Beschwerde gegen Entscheidung des VG Hamburg beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht anhängig
Gegen die Entscheidung des VG Hamburg hat die Freie und Hansestadt Hamburg umgehend Beschwerde zum Hamburgischen Oberverwaltungsgericht ein-gelegt. Mit einer Entscheidung über die Beschwerde wird innerhalb der kommenden Tage gerechnet.
Außerdem werden in nächster Zeit auch andere (Ober-)Verwaltungsgerichte über korrespondierende Regelungen aus anderen Bundesländern entscheiden, entsprechende Verfahren sind bereits anhängig.
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
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