Elektronische Arbeitszeiterfassungspflicht | Referentenwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes liegt vor!
04. Mai 2023 | Arbeitsrecht
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 18.04.2023 einen Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes veröffentlicht. Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über den wesentlichen Inhalt des Referentenentwurfs und die geplanten (Neu-)Regelungen.
Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend gemeinsam „Arbeitnehmer“ genannt) jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen. Nach der Gesetzesbegründung kommen neben den gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung mit Hilfe von elektronischen Anwendungen wie Apps auf einem Mobiltelefon oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme, also z.B. Excel, in Betracht.
Zudem soll auch eine kollektive Arbeitszeiterfassung durch die Nutzung und Auswertung elektronischer Schichtpläne möglich sein, wenn sich aus dem Schichtplan für die einzelnen Arbeitnehmer Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ableiten lassen und Abweichungen von den im Schichtplan festgelegten Arbeitszeiten, z. B. Urlaub, Fehlzeiten und zusätzliche Arbeitszeiten (Mehrarbeit und Überstunden), gesondert elektronisch erfasst werden.
Aufbewahrungspflicht
Die elektronischen Aufzeichnungen sind für die Dauer der Beschäftigung, längstens jedoch für zwei Jahre aufzubewahren.
Delegation auf Arbeitnehmer oder Dritte möglich
Die Aufzeichnung der Arbeitszeit kann durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten – etwa einen Vorgesetzten – erfolgen. Der Arbeitgeber bleibt jedoch auch bei einer Delegation für die ordnungsgemäße Umsetzung der Aufzeichnungspflicht verantwortlich. Insoweit hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ggf. zur ordnungsgemäßen Führung der Aufzeichnung anzuleiten und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass ihm etwaige Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bekannt werden, z.B. durch regelmäßige stichprobenartige Kontrollen.
Vertrauensarbeitszeit möglich
Verzichtet der Arbeitgeber auf die Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, was bei der Vertrauensarbeitszeit der Fall ist, hat er durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass er Kenntnis von etwaigen Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz erlangen kann. Dies kann nach der Gesetzesbegründung z.B. durch eine automatische Meldung im elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems geschehen. Vertrauensarbeitszeit und Arbeitszeiterfassung schließen sich demnach auch nach dem Referentenentwurf nicht aus.
Informationspflichten des Arbeitgebers (auf Verlangen des Arbeitnehmers)
Auf Verlangen hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die aufgezeichnete Arbeitszeit zu informieren und eine Kopie der Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Die Informationspflichten des Arbeitsgeber kann dadurch erfüllt werden, dass Arbeitnehmer die sie betreffenden Aufzeichnungen im elektronischen Arbeitszeiterfassungssystem einsehen und Kopien anfertigen können.
Ausnahmen nur durch Tarifvertragsparteien
Nur in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebsvereinbarung oder Dienstvereinbarung können teilweise Abweichungen von den vorgenannten (Neu-)Regelungen getroffen werden. So kann zugelassen werden, dass
- die Aufzeichnungen in nichtelektronischer Form erfolgen kann,
- die Aufzeichnung an einem anderen Tag erfolgen kann, spätestens aber bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages oder
- die Pflicht zur Aufzeichnung nicht bei Arbeitnehmern gilt, bei denen die gesamte Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt
Übergangszeitraum und Ausnahme bei Kleinunternehmen
Die neuen Vorgaben zur elektronischen Arbeitszeiterfassung sollen nicht unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes gelten. Generell können Arbeitgeber bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Arbeitszeit nicht elektronisch, also auch handschriftlich, aufzeichnen. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmer gilt die Übergangsregelung zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmer fünf Jahre.
Für Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern ist eine „Kleinbetriebsklausel“ vorgesehen. Solche Kleinbetriebe können dauerhaft von der Vorgabe der elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeiten abweichen. Dies gilt entsprechend für einen ausländischen Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, wenn er bis zu zehn Arbeitnehmer nach Deutschland entsendet.
Bußgeldtatbestand
Verstöße gegen die Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeiten und der Informationspflichten sollen eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden können.
Sonstige Änderungen
Im Übrigen sieht der Referentenentwurf neben weiteren redaktionellen Änderungen im Arbeitszeitgesetz und in der Offshore-Arbeitszeitverordnung entsprechende Regelungen auch im Jugendarbeitsschutzgesetz vor.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht nur, soweit eine gesetzliche (oder tarifliche) Regelung nicht besteht. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits in seinem Beschluss vom 13.09.2022 (vgl. Beitrag vom 07.12.2022) klargestellt, dass dem Betriebsrat bei der Frage des „Ob“ der Arbeitszeiterfassung kein Initiativ- und Mitbestimmungsrecht zusteht. Mit der geplanten Änderung soll nun eine ausdrückliche Regelung im Arbeitszeitgesetz verankert werden. Soweit dem Arbeitgeber bei der Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung zur elektronischen Arbeitszeiterfassung Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben, wenn er also z.B. über die gesetzlichen Mindestregelungen hinausgeht, hat er bei Bestehen eines Betriebsrates die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG zu beachten.
Fazit
Der Referentenentwurf ist kein „großer Wurf“ und setzt letztendlich nur die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassungspflicht um. Mit Inkrafttreten des Gesetzes soll eine gesetzliche Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung eingeführt werden. Ausgenommen von der elektronischen Arbeitszeiterfassungspflicht sind nach dem Referentenentwurf nur Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern, die insoweit auch eine nichtelektronische Zeiterfassung führen dürfen. Ob der Referentenentwurf so oder so ähnlich auch tatsächlich zum Gesetz wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch spätestens jetzt, dass sich viele Arbeitgeber mit der Einführung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems befassen müssen. Da sich die (gestaffelten) Übergangszeiträume nur auf die Arbeitszeiterfassung in elektronischer Form bezieht, besteht jedenfalls dann dringender Handlungsbedarf, wenn überhaupt noch keine Arbeitszeiterfassung im Unternehmen erfolgt.
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