„Gendern“ beim Online-Shopping

31. Januar 2022   |   IT- und Datenschutzrecht, Marken- und Wettbewerbsrecht

Bietet ein Betreiber eines Online-Shops in seiner Bestellmaske nur die Auswahl zwischen den Anredeformen „Herr“ und „Frau“ an, verletzt dieses Verhalten nichtbinäre Personen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. So entschied das OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 14. Dezember 2021 (Az. 24 U 19/21).

Zum Fall

Bei dem Bestellprozess in einem Online-Shop konnte die klagende Person nur zwischen den Anredeformen „Herr“ und „Frau“ wählen. Ohne diese Auswahl konnte der Bestellvorgang nicht abgeschlossen werden. Die Person, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlt und im Personenstandsregister bei dem Merkmal Geschlecht mit „keine Angabe“ eingetragen hat, sah sich dadurch in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt und forderte eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 EUR. Auch wenn das OLG Karlsruhe eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbotene Benachteiligung der klagenden Person bejahte, wurde der geltend gemachte Entschädigungsanspruch wegen fehlender Intensivität als unbegründet zurückgewiesen.

„Dritte Option“

Seit Ende 2018 haben Personen in Deutschland die Möglichkeit, beim Eintrag ins Personenstandsregister außer den Geschlechtern „männlich“ und „weiblich“ auch die Option „divers“ zu wählen – in Anlehnung an eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 2017 auch die sog. „Dritte Option“ genannt.

Persönlichkeitsrechtsverletzung im Einzelfall denkbar

Im Zusammenhang mit den „klassischen“ Geschlechterkategorien urteilte auch der BGH im Jahre 2018, dass Personen nicht entgegen ihrem Rollenverständnis angeredet oder angeschrieben werden dürfen, und folgte damit einer Reihe vorangegangener, höchstrichterlicher Entscheidungen. Dennoch ist auch nach diesen Entscheidungen stets die sorgfältige Prüfung des konkreten Einzelfalls erforderlich, da die Rechtsprechung an vielen Stellen kleinteilige Differenzierungen hinsichtlich sprachlicher und sonstiger Besonderheiten vornimmt.

Kein Freifahrtschein, aber Heilungsmöglichkeit

Im vorliegenden Fall verneinte das OLG Karlsruhe zwar die Pflicht zur Zahlung einer Entschädigung. Da die Ablehnung der Entschädigungspflicht in dem Urteil jedoch dem Umstand geschuldet war, dass der Online-Shop-Betreiber unverzüglich auf die erste Beschwerde der Person hin reagierte und seine Internetseite anpasste und damit die betroffene Person etwa keine (wahrnehmbare) soziale Ausgrenzung zu befürchten hatte, können andere Fallkonstellationen natürlich anders zu beurteilen sein. In die gerichtlich anzustellende Gesamtschau bei der Bewertung, ob eine Entschädigung begründet ist, ist stets einzubeziehen, wie sich der Verantwortliche nach Bekanntwerden des Verstoßes verhält, wie und auf welche Weise die betroffene Person sich verletzt fühlt und in welcher Intensität eine soziale Ausgrenzung, Abgeltung oder sonstige mentale Beeinträchtigung eingetreten ist. Das muss die betroffene Person auch glaubhaft darlegen können. Pauschale Behauptungen reichen den Gerichten für gewöhnlich nicht. Die Bewertungen des OLG Karlsruhe im vorliegenden Fall sind nicht nur auf klassische Online-Shops beschränkt, sondern auch auf andere Formulare übertragbar.

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