Jahresabschlusserstellung bei Krisenmandaten
16. August 2017 | Insolvenzberatung, Insolvenzrecht, Steuerrecht
Mit seinem Urteil (Az. IX ZR 285/14) zur Haftung des Steuerberaters im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses bei drohender Insolvenz des Mandanten hat der BGH die Hinweis- und Prüfpflichten des Steuerberaters deutlich verschärft.
Bisher hat der BGH bei einem allgemeinen Steuerberatungsmandat, das auch die Erstellung des Jahresabschlusses umfasst, ohne ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens keine Hinweispflicht des Steuerberaters auf einen Insolvenzgrund erkannt. Daran hält der BGH nicht mehr fest und erklärt, dass der Steuerberater gegenüber dem Mandanten verpflichtet ist, auf einen möglichen Insolvenzgrund hinzuweisen, wenn er einen Insolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltspunkte dafür offenkundig sind und er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der möglichen Insolvenzreife nicht bewusst ist.
Haftung nach Werkvertragsrecht
Zusätzlich hat der BGH in dem Urteil ausgeführt, dass eine Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhalft im Sinne des Werkvertragsrechts ist, wenn auf Grundlage der dem Steuerberater für die Erstellung des Jahresabschlusses zur Verfügung gestellten Unterlagen und der ihm bekannten Umstände feststeht, dass die Fortführungsvermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zutrifft.
Indizien für Zweifel an Fortführungsfähigkeit
Zu Fortführungswerten darf demnach nicht mehr bilanziert werden, wenn diesbezüglich ernsthafte Zweifel bestehen und diese nicht ausgeräumt werden. In der Entscheidung werden dafür folgende Anzeichen genannt:
- das Unternehmen erwirtschaftet erhebliche Verluste
- zu geringe Eigenkapitalausstattung
- Liquiditätsschwierigkeiten
- bilanzielle Überschuldung
Deutlich erhöhte Prüfpflichten
Liegen entsprechende Indizien vor, die eine Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen, darf der Jahresabschluss auf Grundlage von Fortführungswerten nur erstellt werden, wenn anhand konkreter Umstände feststeht, dass diese belastenden Indizien einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht entgegenstehen. Der Steuerberater muss entweder klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen oder tatsächlich nicht geeignet sind, die Fortführungsprognose infrage zu stellen.
Haftungsvermeidung durch explizite Fortführungsprognose...
Alternativ muss er dafür sorgen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt. Übergibt der Mandant dem Steuerberater eine explizite Fortführungsprognose, darf der Steuerberater diese, solange sie nicht evident untauglich ist, bei der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde legen. Auf bloße Aussagen der Geschäftsführer darf er sich aber nicht verlassen.
...oder explizite Anweisung des Mandanten
Wie die Fortführungsprognose konkret auszusehen hat, lässt der BGH allerdings offen. Um das damit verbundene Risiko, dass die Fortführungsprognose im Nachhinein als unzureichend angesehen wird, zu begrenzen, zeigt der BGH in seinem Urteil einen Ausweg auf: Der trotz erkennbarer Zweifel an der Fortführungsvermutung erstellte Jahresabschluss ist dann mangelfrei, wenn
- der Steuerberater den Mandanten auf die konkreten Umstände hingewiesen hat, die an der Fortführungsfähigkeit zweifeln lassen
- und der Mandant ihn dennoch ausdrücklich anweist, gleichwohl die handelsrechtliche Bilanz mit Fortführungswerten zu erstellen.
Da der BGH Werkvertragsrecht anwendet, entfällt die Haftung für Mängel, sofern der Mandant als Besteller des Werks über die Zweifel konkret unterrichtet wurde. Die von dem Mandanten erteilte Anweisung hat der Steuerberater in dem von ihm erstellten Jahresabschluss zu dokumentieren. Dies dürfte in vielen Krisenfällen für den Steuerberater die einzige Möglichkeit sein, das Interesse des Mandanten an einem Jahresabschluss auf Grundlage von Fortführungswerten mit seinem Interesse, Haftungsgefahren zu vermeiden, in Einklang zu bringen.