Kein Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten bei Werkleistungen. BGH gibt seine bisherige Rechtsprechung teilweise auf.
16. Mai 2018 | Vertragsrecht
In einem Urteil vom 22.02.2018 (Az. VII ZR 46/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine bisherige Rechtsprechung zur Berechnung von Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln an Werkleistungen teilweise aufgegeben.
Auch wenn das Urteil zu einem Bau- und Architektenvertag ergangen ist, dürfte es auf Werkverträge an beweglichen Sachen (z.B. Herstellung spezieller Maschinen, Bearbeitung von beigestelltem Material, Verträge mit Handwerkern) übertragbar sein.
Interessant für Auftragnehmer: Nicht entstandene Kosten können auch nicht geltend gemacht werden
In dem Urteil hat der BGH (unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung) entschieden, dass der Besteller, der ein erstelltes aber mangelhaftes Werk behält (obwohl der Auftragnehmer die Nacherfüllung abgelehnt hat), den Schadensersatz nicht anhand "fiktiver Mängelbeseitigungskosten" berechnen kann. Künftig kann für den Schadensersatz also nicht mehr darauf abgestellt werden, welche Kosten für die Behebung des Mangels eigentlich erforderlich gewesen wären, wenn der Mangel nicht auch tatsächlich behoben wurde.
Vielmehr kann der Schadensersatzanspruch nur aus der "Differenz zwischen dem hypothetischen Wert, der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten (...) Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt" werden. Mit anderen Worten: Es muss bewertet werden, wie viel weniger die mangelbehaftete Sache tatsächlich wert ist. Der BGH begründet dies damit, dass die für die Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten häufig höher sind, als die Wertdifferenz und der Besteller so durch die Geltendmachung „fiktiver Mangelbeseitigungskosten“ einen höheren Schadensersatz fordern konnte, als ihm tatsächlich ein Schaden entstanden ist und sich so auf Kosten des Auftragnehmers zu bereichern. Insoweit also ein für Handwerker und andere Auftragnehmer von Werkleistungen durchaus erfreuliches Urteil.
Interessant für Auftraggeber: Darlegung der Schadenshöhe in bestimmten Fällen erheblich erleichtert
Ungeachtet dessen ist das Urteil aber auch für Auftraggeber von Werkleistungen interessant. So weist der BGH in seinem Urteil ausdrücklich auf eine erheblich leichtere Variante zur Berechnung der für den Schadenersatzanspruch maßgeblichen Wertdifferenz hin: Der Schaden kann grundsätzlich anhand eines "konkreten Mindererlöses" bei Weiterverkauf der erstellten oder bearbeiteten Sache bemessen werden.
Auftraggeber sollten diese Rechtsprechung bei der Auseinandersetzung mit eigenen Lieferanten also insbesondere dann im Hinterkopf behalten, wenn sie die bestellte Ware weiterverkaufen wollen. In diesem Fall sollte darauf geachtet werden, exakt zu dokumentieren, dass etwaige Minderungen durch oder Nachlässe gegenüber dem Käufer auf Mängeln beruhen, die der Zulieferer verschuldet hat, um so für einen etwaigen Schadensersatzprozess gegen den Lieferanten gerüstet zu sein.
Ob diese Entscheidung von der Rechtsprechung auch auf andere Vertragstypen (insbesondere auf Kaufverträge) übertragen wird, bleibt abzuwarten.