Neues Jahressteuergesetz 2024 II: zwei wichtige Änderungen für gemeinnützige Organisationen
14. August 2024 | Steuerrecht
Am 10. Juli 2024 hat das Bundesfinanzministerium den Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 II vorgelegt. Der Entwurf liegt derzeit den Verbänden zur Stellungnahme vor und beinhaltet zwei wesentliche Änderungen, die für gemeinnützige Organisationen von großer Bedeutung sind. In diesem Blogbeitrag werden wir diese Änderungen genauer beleuchten und ihre möglichen Auswirkungen diskutieren.
1. Klarstellung zur politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen
Eine der bedeutendsten Änderungen betrifft die politische Betätigung von gemeinnützigen Organisationen. § 58 in Nr. 11 (neu) der Abgabenordnung (AO) soll dahingehend ergänzt werden, dass es diesen Organisationen erlaubt ist, „gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung zu nehmen“, ohne dass dies steuerliche Nachteile mit sich bringt. Diese Regelung soll nun gesetzlich festgeschrieben werden.
Was bedeutet „gelegentlich“?
Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Definition des Begriffs „gelegentlich“. Der Referentenentwurf stellt klar, dass „gelegentlich“ bedeutet, dass die Äußerungen aufgrund eines besonderen Anlasses erfolgen und der steuerbegünstigten Zweckverfolgung untergeordnet sein müssen. Dies unterscheidet sich leicht von der bisherigen Formulierung in Ziff. 16 des AEAO zu § 52, die von „vereinzelten Stellungnahmen“ spricht. Es wird jedoch nicht erwartet, dass diese unterschiedliche Terminologie zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen führt.
Problematik der bisherigen Regelung
Bisher war es für gemeinnützige Organisationen oft schwierig, sich politisch zu äußern, ohne ihre steuerlichen Vorteile zu riskieren. Die Formulierungen in der Abgabenordnung und im Anwendungserlass waren vage und ließen viel Interpretationsspielraum, was zu Unsicherheit und Zurückhaltung bei politischen Stellungnahmen führte. Durch die Klarstellung und gesetzliche Festschreibung sollen diese Unsicherheiten beseitigt und den Organisationen mehr Rechtssicherheit gegeben werden, z.B. bei dem Aufruf eines Sportvereines gegen Rassismus anlässlich aktueller Vorkommnisse bei einem Fußballspiel.
2. Aufhebung der zeitnahen Mittelverwendung
Eine weitere bedeutende Änderung betrifft die zeitnahe Mittelverwendung, die in § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO geregelt ist. Der Referentenentwurf sieht vor, diese Regelung aufzuheben.
Was ist die zeitnahe Mittelverwendung?
Die zeitnahe Mittelverwendung verpflichtet gemeinnützige Organisationen, ihre Einnahmen innerhalb eines bestimmten Zeitraums ( = spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalenderjahren) für den gemeinnützigen Zweck auszugeben. Dies soll sicherstellen, dass die erhaltenen Mittel schnell und effektiv eingesetzt werden, um den gemeinnützigen Zweck zu erfüllen.
Hoher bürokratischer Aufwand
Eine der größten Herausforderungen der bisherigen Regelung war der erhebliche bürokratische Aufwand. Gemeinnützige Organisationen mussten detaillierte Nachweise erbringen, um zu belegen, dass die Mittel innerhalb der vorgegebenen Frist verwendet wurden („Mittelverwendungsrechnung“). Dies erfordert eine umfangreiche Dokumentation und Verwaltungsarbeit, die oft von ehrenamtlichen Mitarbeitern bewältigt werden musste.
Detaillierte Nachweisführung
Gemeinnützige Organisationen mussten genau dokumentieren, wann und wie die erhaltenen Mittel ausgegeben wurden. Dies bedeutete, dass jeder Euro, der gespendet oder anderweitig eingenommen wurde, genau nachverfolgt und die Verwendung genauestens dokumentiert werden musste. Diese Nachweise mussten dann für die Steuerbehörden aufbereitet und eingereicht werden. Der Aufwand, um diese detaillierte Dokumentation zu erstellen, ist oft groß und erfordert umfassende Kenntnisse in Buchhaltung und Steuerrecht.
Verwaltungsaufwand für kleine Organisationen
Besonders kleinere gemeinnützige Organisationen und Vereine, die oft auf ehrenamtliche Helfer angewiesen sind, standen vor großen Herausforderungen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter hatten nicht immer die notwendigen Fachkenntnisse oder die Zeit, um die umfangreichen Dokumentationspflichten zu erfüllen. Dies führte dazu, dass wertvolle Ressourcen, die eigentlich für die gemeinnützige Arbeit vorgesehen waren, in die Verwaltung flossen und Kosten für externe Dienstleistung anfielen.
Unsicherheiten und Risiko der Steuerlichen Rückforderungen
Die strengen Anforderungen und die Notwendigkeit, diese detailliert nachzuweisen, führten auch zu Unsicherheiten und Ängsten vor steuerlichen Rückforderungen. Fehler in der Dokumentation oder Missverständnisse bei den komplexen Regeln konnten dazu führen, dass Organisationen steuerliche Vorteile verloren oder sogar Rückzahlungen leisten mussten. Dies stellte ein erhebliches Risiko dar und führte zu zusätzlichem Stress und Unsicherheit.
Weniger Bürokratie
Die Aufhebung der Regelung zur zeitnahen Mittelverwendung würde den bürokratischen Aufwand für gemeinnützige Organisationen erheblich reduzieren. Ohne die Verpflichtung, detaillierte Nachweise über die Mittelverwendung zu erbringen, könnten sich die Organisationen stärker auf ihre eigentlichen Aufgaben und Ziele konzentrieren.
Mehr Flexibilität bei der Mittelverwendung
Durch die Abschaffung der zeitnahen Mittelverwendung würden gemeinnützige Organisationen mehr Flexibilität bei der Planung und Durchführung ihrer Projekte gewinnen. Sie könnten ihre Mittel strategisch über einen längeren Zeitraum einsetzen und somit größere, langfristige Projekte realisieren. Dies könnte beispielsweise den Bau von Gemeinschaftseinrichtungen, die Durchführung umfangreicher Forschungsprojekte oder die Finanzierung langfristiger Bildungsprogramme umfassen.
Konkrete Beispiele für Erleichterungen
Beispiel 1: Bau einer Gemeinschaftseinrichtung
Eine Bürgerstiftung plant den Bau eines neuen Gemeindezentrums, das als Treffpunkt für verschiedene soziale Projekte dienen soll. Unter der bisherigen Regelung wäre es schwierig, die notwendigen Mittel für ein solch umfangreiches Projekt innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu verwenden. Der Weg einer Projektmittelrücklage ist streitanfällig. Mit der Aufhebung der zeitnahen Mittelverwendung könnte die Stiftung die Mittel über mehrere Jahre hinweg ansparen und gezielt einsetzen, um das Projekt erfolgreich abzuschließen.
Beispiel 2: Langfristiges Bildungsprogramm
Eine gemeinnützige Organisation im Bildungsbereich möchte ein mehrjähriges Programm zur Förderung von benachteiligten Jugendlichen starten. Die Planung und Durchführung eines solchen Programms erfordert eine stabile finanzielle Basis über mehrere Jahre. Mit der neuen Regelung könnte die Organisation die Mittel langfristig planen und verwenden, ohne ständig unter dem Druck zu stehen, diese sofort ausgeben zu müssen.
Fazit
Die geplante Aufhebung der zeitnahen Mittelverwendung gemäß dem Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 II stellt eine bedeutende Erleichterung für gemeinnützige Organisationen dar. Weniger Bürokratie und mehr Flexibilität bei der Mittelverwendung ermöglichen es diesen Organisationen, sich stärker auf ihre eigentlichen Ziele zu konzentrieren und langfristige Projekte besser zu planen und durchzuführen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Vorschläge im weiteren Gesetzgebungsverfahren entwickeln, doch die Zeichen stehen auf positive Veränderungen für den gemeinnützigen Sektor.