Novelle der Energiekonzessionsvergabe
27. Juli 2017 | Öffentliches Recht
Schafft das neue Recht mehr Rechtssicherheit für Kommunen und Energieversorgungsunternehmen?
Für den Betrieb von Gas- und Stromnetzen räumen Gemeinden den Energieversorgungsunternehmen Wegenutzungsrechte (in diesem Kontext als Konzession bezeichnet) ein. Nach §§ 46 ff EnWG wird dazu von der Gemeinde spätestens alle 20 Jahre ein vergabeähnliches Auswahlverfahren durchgeführt – Ziel ist der Wettbewerb um das Netz.
Am 03.02.2017 trat nun das Gesetz zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung in Kraft. Erklärtes Ziel der Bundesregierung war es, mit diesem Reformgesetz das Bewertungsverfahren bei Neuvergabe der Verteilernetze eindeutig und rechtssicher zu regeln sowie die Rechtssicherheit beim Netzübergang zu verbessern.
Die wichtigsten Änderungen auf einen Blick:
1. Berücksichtigungsfähigkeit örtlicher Belange bei der Angebotsbewertung
Nach der Neufassung des § 46 Abs. 4 EnWG ist es der Gemeinde nun explizit gestattet, neben den Zielen des § 1 Abs.1 EnWG örtliche Belange als Bewertungskriterium heranzuziehen.
2. Auskunftsanspruch der Gemeinde
Der neu eingefügte § 46a EnWG gibt den Gemeinden einen klar umrissenen Auskunftsanspruch gegen den Altkonzessionär bezüglich der für die Ausschreibung des Netzes erforderlichen Netzinformationen an die Hand.
3. Präklusion
Die für die Praxis entscheidendste Änderung enthält sicherlich der neue § 47 EnWG, denn mit ihm erhält die Präklusion offiziell Einzug ins Energiekonzessionsverfahren. Wie im Vergaberecht schon lange bewährt (wenn auch mit teilweise anderen Fristen) gilt jetzt auch im Energiekonzessionsverfahren: Wer Verfahrensfehler nicht rechtzeitig rügt, kann sich später nicht mehr auf diese berufen. Ergänzt wird dies durch eine Vertragssperre: Ein Vertragsschluss ist erst zulässig, wenn keine Rügeerhebung durch die Verfahrensbeteiligten mehr möglich ist.
Damit ist die Gefahr endgültig gebannt, dass ein geschlossener Wegenutzungsvertrag aufgrund eines fehlerhaften Auswahlverfahrens noch Jahre später für nichtig erklärt werden kann.
4. Netzübertragung vom Alt- auf den Neukonzessionär
Schließlich bestimmt die Gesetzesänderung im neugefassten § 46 Abs. 2 EnWG den objektivierten Ertragswert als maßgeblichen Wert für die wirtschaftlich angemessene Vergütung, die der Neukonzessionär als Gegenleistung für die Übereignung des Netzes zu entrichten hat.
Aufgrund der in der Praxis oft verzögerten Netzübernahmen entfällt künftig zudem die Jahresfrist in § 48 Abs. 4 EnWG: Somit ist der Altkonzessionär bis zur tatsächlichen Netzübernahme durch den Neukonzessionär zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe verpflichtet (allerdings nur, soweit die Gemeinde das vorherige Verfahren rechtzeitig initiiert und zügig vorangetrieben hat).
5. Mehr Rechtssicherheit?
Schafft die Novelle nun wirklich mehr Rechtssicherheit? Jedenfalls ist sie eine Reaktion auf eine große Anzahl an Streitfällen, die in den vergangenen Jahren die Rechtsprechung beschäftigt haben – fast alle Änderungen sind ins Gesetz gegossene Manifestationen dessen, was der BGH bereits entschieden hat. Damit stellt der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BGH auf sichere Beine. Dennoch bleiben einige Fragen offen, denn der Gesetzgeber hat das Verfahren nach §§ 46 EnWG zwar dem (form)strengeren Gesetzesregime des Vergaberechts weiter angenähert, es ihm aber nicht vollständig angepasst. So besteht weiterhin viel Verfahrensfreiheit – und viel Verfahrensunsicherheit. Schließlich gibt das Europarecht Bedenken auf: Während nach Auffassung der Bundesregierung Verfahren nach §§ 46 EnWG nicht unter die Konzessionsrichtlinie (2014/23/EU) fallen, sehen das kritische Stimmen durchaus anders.