Sperrung von E-Ladesäulen per Fernzugriff – Blockchain, Smart Contracts & Co.?
30. November 2021 | Marken- und Wettbewerbsrecht
Werden im digitalen Zeitalter Verträge zur Gebrauchsüberlassung (z.B. Mietverträge) über technisch steuerbare Hard- und Software gekündigt und werden diese dann in der Folge automatisch aus der Ferne gesperrt, stellt sich direkt die Frage, ob dies so ohne Weiteres geht. Immerhin hat der Kunde den betreffenden Gegenstand zur Nutzung erhalten.
Nun hat sich das OLG Düsseldorf in seiner Berufungsentscheidung (Az. I-20 U 116/20) vom 07.10.2021 dieser Frage gewidmet und entschieden, dass die Abschaltung einer Lademöglichkeit für E-Fahrzeugbatterie per Fernzugriff eine verbotene und damit unzulässige Eigenmacht darstellen kann. Auch darauf Bezug nehmende AGB-Klauseln können dies nicht ändern.
Der zu entscheidende Sachverhalt drehte sich im Einzelnen um Batteriemietverträge, die zwischen dem Hersteller der Akkumulatoren für E-Fahrzeuge und Käufern bzw. Leasingnehmern der jeweiligen E-Fahrzeuge abgeschlossen wurden. In den einbezogenen AGB fand sich eine Klausel, nach der im Falle einer außerordentlichen Kündigung eine Sperrmöglichkeit für die Batterieaufladung nach einer 14-tägigen Ankündigungsfrist greifen könne.
1. Nicht bloß tatsächliche Gewalt geschützt
Nach Auffassung des Gerichts liege eine Besitzstörung nicht nur bei einem Eingriff in die tatsächliche Sachherrschaft vor, sondern insbesondere auch dann, wenn dem Besitzer „Ausschnitte aus den Gebrauchs- und Nutzungsmöglichkeiten“ genommen würden.
Dies sei der Fall. Das Abschalten der essenziellen Ladefunktion stelle nichts anderes als eine Aushöhlung des Verbots der Selbstjustiz dar. Es sei gerade das gesetzliche Leitbild, dass das Verbot eigenmächtiger Besitzentziehung unabhängig von der schuldrechtlichen Lage fortbestehe. Die Einwirkungsmöglichkeit des Käufers werde damit erheblich beeinträchtigt.
2. Blockchains, Smart Devices und Smart Contracts
Interessant ist aber auch ein anderer Aspekt. Das OLG Düsseldorf hat das automatisierte Sperrverfahren mit einem aktiven Tun gleichsetzt. Es mache keinen Unterschied – so das Gericht –, ob die Abschaltung im Einzelfall durch einen Mitarbeiter oder durch einen automatisierten Mechanismus erfolge. In beiden Fällen läge nämlich ein bewusster und willentlicher Entschluss vor.
Aus Praxissicht führt diese Erkenntnis zwangsläufig zu Folgefragen im Zusammenhang mit den modernen Erscheinungsformen digitalisierter Verträge und Dienstleistungen (z.B. Smart Contracts).
Prägend für Smart Contracts ist die rein automatisierte Auslösung vertraglicher Rechtsfolgen. Ähnlich wie dies bereits seit längerem bei der Einzugsermächtigung praktiziert wird, können zum Beispiel E-Roller bei Verlassen des vorgesehenen Einsatzgebietes gesperrt werden. Technologisch bedient man sich dabei immer häufiger der Blockchain, womit die klassischen Funktionen der staatlichen Vollzugsorgane zunehmend durch selbstvollziehende Verträge ersetzt werden.
3. Potenzielle Auswirkungen auf Smart Contracts
Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass ausschließlich die gesperrte Einwirkungsmöglichkeit auf den Mietgegenstand eine verbotene Eigenmacht darstelle, nicht aber zugleich die Pflicht eines Überlassers begründe, entgeltliche Leistung auf eigene Rechnung fortzusetzen, weil andernfalls die Geräte nicht nutzbar wären. Daraus folgt, dass lediglich auf die Nutzbarkeit bereits übertragener Sachen nicht eingewirkt werden dürfe. Daher handele es sich in dem zu entscheidenden Fall um eine verbotene Eigenmacht, da der bloße Besitz des Akkumulators beim Kunden zu keinen nennenswerten Kosten beim Überlasser führe.
Damit trennt das Gericht bewusst zwischen Beeinträchtigung der Einwirkungs- und Nutzungsmöglichkeit auf der einen und der Erhaltungsmöglichkeit auf der anderen Seite.
Ob diese bisweilen künstliche Auftrennung auch für andere Mietmodelle, etwa mit E-Rollern, Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Insbesondere weil der Überlasser trotz fehlender Kontodeckung des Kunden weiterhin z.B. GPS-Kosten zu tragen hätte, die aus der Überwachung des E-Rollers resultieren.
Es wird nach alledem interessant zu beobachten sein, wo im digitalen Zeitalter die Abgrenzung zwischen bereits vollständig erbrachten und weiterlaufenden Dienstleistungen gezogen werden wird.
Gerne beraten wir Sie auf den spannenden Feldern der Smart Contracts und der E-Mobilität. Sprechen Sie uns gerne an!