Entgelttransparenzrichtlinie: Was auf Arbeitgeber zukommt!

01. Februar 2024   |   Arbeitsrecht

Die Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970 (EntgTranspRL) ist am 6. Juni 2023 in Kraft getreten. Sie soll die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen stärken. Die Richtlinie bringt erhebliche Änderungen hinsichtlich der Instrumente zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen mit sich, auf die sich Arbeitgeber einstellen müssen.

Umsetzungsfrist

Die Umsetzungsfrist für den deutschen Gesetzgeber endet am 7. Juni 2026. Die Richtlinie wird voraussichtlich zu einer deutlichen Verschärfung des Entgelttransparenzgesetzes führen und sieht insoweit in vielfacher Weise Verpflichtungen vor, die über die derzeit verbindlichen Vorgaben des Entgelttransparenzgesetzes hinausgehen.

Entgelttransparenz bereits vor der Beschäftigung (Art. 5)

Bewerbende haben das Recht haben, vom künftigen Arbeitgeber Informationen über i) das auf objektiven, geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Einstiegsentgelt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne und ii) gegebenenfalls die einschlägigen Bestimmungen des Tarifvertrags, den der Arbeitgeber in Bezug auf die Stelle anwendet, zu erhalten.

Diese Informationen sind in einer Weise bereitzustellen, dass fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt gewährleistet werden, wie beispielsweise in einer veröffentlichten Stellenausschreibung, vor dem Vorstellungsgespräch oder auf andere Weise.

Transparenz bei der Festlegung des Entgelts und der Politik der Entgeltentwicklung (Art. 6)

Arbeitgeber haben ihren Arbeitnehmenden Informationen darüber, welche Kriterien für die Festlegung ihres Entgelts, ihrer Entgelthöhen und ihrer Entgeltentwicklung verwendet werden, in leicht zugänglicher Weise zur Verfügung, wobei die Kriterien objektiv und geschlechtsneutral sein müssen.

Nach der Richtlinie steht es den nationalen Gesetzgebern frei, Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmenden von der vorgenannten Informationsverpflichtung auszunehmen.

Umfangreiches Auskunftsrecht im bestehenden Arbeitsverhältnis (Art. 7)

Arbeitnehmende haben das Recht, vom Arbeitgeber schriftliche Auskunft über die Höhe ihres individuellen Entgelts und des Durchschnittentgelts zu verlangen. Der Arbeitgeber soll die (schriftliche) Auskünfte nach Geschlecht und nach Gruppen von Arbeitnehmenden, die die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichten, aufschlüsseln. Anders als nach dem aktuellen Entgelttransparenzgesetz besteht das Auskunftsrecht unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten und der Größe einer möglichen Vergleichsgruppe. Arbeitnehmer sollen dieses Recht auch über ihre „Arbeitnehmervertreter“, also z. B. den Betriebsrat ausüben können.

Arbeitgeber müssen die Arbeitnehmenden jährlich über ihr Auskunftsrecht informieren und haben im Falle eines entsprechenden Auskunftsverlangen die (schriftlichen) Auskünfte innerhalb einer angemessenen Frist, auf jeden Fall innerhalb von zwei Monaten, zur Verfügung zu stellen.

Berichterstattung über das Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (Art. 9)

Arbeitgeber sind bei entsprechendem Verlangen nicht nur zur Auskunft verpflichtet, sondern haben dazu noch umfangreiche Berichtspflichten zu erfüllen, jedenfalls wenn mindestens 100 Arbeitnehmende beschäftigt werden. Die Berichtspflichten umfassen Informationen des Arbeitgebers „zu ihrer Organisation“, etwa die Differenz zwischen den durchschnittlichen Entgelthöhen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder die Differenz zwischen der Median-Entgelthöhe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Ab wann und wie häufig die Berichtspflichten greifen, ist abhängig von der Unternehmensgröße:

250 oder mehr Arbeitnehmende

Arbeitgeber mit 250 oder mehr Arbeitnehmenden haben bis zum 7. Juni 2027 und in jedem darauffolgenden Jahr die Informationen in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr vorzulegen.

150 bis 249 Arbeitnehmende

Arbeitgeber mit 150 bis 249 Arbeitnehmenden haben bis zum 7. Juni 2027 und danach alle drei Jahre die Informationen in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr vorzulegen.

100 bis 149 Arbeitnehmende

Arbeitgeber mit 100 bis 149 Arbeitnehmenden haben bis zum 7. Juni 2031 und danach alle drei Jahre die Informationen in Bezug auf das vorangehende Kalenderjahr vorzulegen.

Weniger als 100 Arbeitnehmenden

Nach der Richtlinie steht es auch hier dem nationalen Gesetzgeber frei, Arbeitgeber mit weniger als 100 Arbeitnehmenden zu verpflichten.

Gemeinsame Entgeltbewertung mit Arbeitnehmervertretern bei zu großem Lohngefälle (Art. 10)

Ergibt sich aus der Berichtserstattung nach Art. 9 EntgTranspRL i) ein geschlechtsspezifischer Entgeltunterschied von mindestens 5%, ii) den der Arbeitgeber nicht mit objektiven, geschlechtsneutralen Faktoren begründen kann und iii) den er nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Berichterstattung über das Entgelt korrigiert, so hat er in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern, d. h. dem Betriebsrat, eine gemeinsame Entgeltbewertung vorzunehmen und die ungerechtfertigten Entgeltunterschiede zu beseitigen.

Anspruch auf Schadensersatz (Art. 16)

Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass Arbeitnehmende, die wegen der Verletzung von Rechten oder Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts einen Schaden erlitten haben, Anspruch auf vollständigen Schadensersatz oder eine Entschädigung haben. Der Schadenersatz bzw. die Entschädigung muss dabei einen tatsächlichen und wirksamen Ersatz des erlittenen Schadens „auf abschreckende und angemessene Art und Weise“ darstellen.

Verlagerung der Beweislast (Art. 18)

Erfüllt der Arbeitgeber die Pflichten nach den Artikeln 5, 6, 7, 9 und 10 nicht, hat der Arbeitgeber nachzuweisen, dass keine (geschlechterspezifischen) (Entgelt-)Diskriminierung vorliegt.

Sanktionen (Art. 23)

Die nationalen Gesetzgeber haben „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ festzulegen, die bei Verletzungen der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts zu verhängen sind.

Fazit

Aus der Richtlinie selbst ergeben sich noch keine Verpflichtungen für Arbeitgeber. Die Vorgaben der Richtlinie müssen erst in nationales Recht umgesetzt werden. Unabhängig davon sind Arbeitgeber aber ohnehin verpflichtet, Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts zu verhindern.

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