Windenergie im Wald: Windkraftanlagen in Wäldern zulässig?
22. August 2023 | Agrarrecht
Die Energiewende nimmt wieder an Fahrt auf - bis zum Jahr 2030 sollen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 80 % des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Um dies zu erreichen, ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Windkraft.
Der Bundestag hat vor diesem Hintergrund das Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (Windenergieflächenbedarfsgesetz - WindBG) beschlossen. Es trat am 01.02.2023 in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist es, im Interesse des Klima- und Umweltschutzes die Transformation zu einer nachhaltigen und treibhausgasneutralen Stromversorgung, die vollständig auf erneuerbaren Energien beruht, durch den beschleunigten Ausbau der Windenergie an Land zu fördern. Hierfür gibt dieses Gesetz den Ländern verbindliche Flächenziele (Flächenbeitragswerte) vor, die für den Ausbau der Windenergie an Land benötigt werden, um die Ausbauziele und Ausbaupfade des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu erreichen. Danach sollen bis Ende des Jahres 2027 1,4 Prozent und bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen sein. Bei der Aufteilung des Gesamtziels auf die Bundesländer wurden die je nach Bundesland unterschiedlichen Voraussetzungen für den Ausbau der Windenergie an Land berücksichtigt.
In Anbetracht dieser Ausbauziele und des damit zusammenhängenden Flächenbedarfs wird sich in Zukunft vermehrt die Frage stellen, ob Windkraftanlagen auch in Wäldern errichtet werden dürfen. Der Anteil der Waldfläche an der gesamten Bodenfläche beträgt in Deutschland im Durchschnitt immerhin gut 30 %. Dieser Artikel soll aus diesem Grund eine kurze Bestandsaufnahme zu diesem Thema geben.
Windkraftanlagen jetzt auch in niedersächsischen Wäldern zulässig
Die Länder erfüllen die Pflicht nach dem WindBG zur Ausweisung der Flächen zur Windenergienutzung, indem sie die zur Erreichung der Flächenbeitragswerte notwendigen Flächen selbst in landesweiten oder regionalen Raumordnungsplänen ausweisen oder eine Ausweisung der zur Erreichung der Flächenbeitragswerte notwendigen Flächen durch die regionalen oder kommunalen Planungsträger sicherstellen.
Für Niedersachsen bedeutet dies, dass bis zum 31.12.2027 insgesamt 1,7 Prozent der Landesfläche und bis zum 31.12.2032 insgesamt 2,2 Prozent der Landesfläche ausgewiesen werden müssen. Bisher wurden in Niedersachsen 1,1 Prozent des Landesfläche für Windkraft ausgewiesen.
Bis zum 17.09.2022 sah das Raumordnungsprogramm des Landes Niedersachsen (LRPO) vor, dass der Wald wegen seiner vielfältigen Funktionen, insbesondere wegen seiner klimaökologischen Bedeutung, nicht für die Nutzung von Windenergie in Anspruch genommen werden darf. Am 17.09.2022 trat eine Änderung des LRPO in Kraft, die eine diesbezügliche Neuausrichtung umsetzt.
Seit dem 17.09.2022 ist in der LRPO nunmehr geregelt, dass die Träger der Regionalplanung (Landkreise und kreisfreie Städte) darauf hinwirken sollen, dass unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten der Anteil erneuerbarer Energien raumverträglich ausgebaut wird. Für die Nutzung von Windenergie geeignete raumbedeutsame Standorte sollen gesichert und unter Berücksichtigung der Repowering-Möglichkeiten in den Regionalen Raumordnungsprogrammen als „Vorranggebiete Windenergienutzung mit der Wirkung von Eignungsgebieten“ oder als „Vorranggebiete Windenergienutzung“ ausgewiesen werden. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls neu geregelt, dass Waldflächen für die windenergetische Nutzung grundsätzlich in Anspruch genommen werden können. Soweit Waldflächen für die Nutzung von Windenergie in Anspruch genommen werden sollen, müssen dabei aber zunächst mit technischen Einrichtungen oder Bauten vorbelastete Flächen oder mit Nährstoffen vergleichsweise schwächer versorgte Flächen genutzt werden.
Durch diese Änderung ist es nun auch in Niedersachsen planungsrechtlich erlaubt, Windkraftanlagen in Wäldern zu errichten. In der Regel setzt dies jedoch voraus, dass die betroffenen Waldflächen in einem durch die regionale Raumplanung festgesetzten Windenergiegebiet liegen.
Um zu erreichen, dass die Träger der Regionalplanung tatsächlich ausreichend Gebiete zur Windenergienutzung ausweisen, wird das Land Niedersachsen das Gesetz zur Steigerung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land in Niedersachsen, zur finanziellen Beteiligung am Ausbau erneuerbarer Energien und zur Änderung des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes (NWindBGUG) erlassen. Dieses Gesetz legt für die Träger der Regionalplanung verbindliche Teilflächenziele sowie Fristen zur Flächenausweisung fest.
Rechtslage in anderen Bundesländen
Die Rechtslage in anderen Bundesländern unterscheidet sich von der Rechtslage in Niedersachsen, da die Raumordnungsprogramme der Länder und die darauf aufbauenden Regionalplanungen der Kommunen voneinander abweichen. Die waldreichen Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Saarland erlauben etwa - zum Teil bereits seit einigen Jahren - die Nutzung von Wäldern zur Windenergienutzung und sehen in ihren Raumordnungsprogrammen bereits entsprechende Regelungen und Festsetzungen vor.
Andere Bundesländer wie Thüringen und Sachsen sind diesbezüglich bisher noch zurückhaltender. Thüringen sieht in etwa in § 10 Abs. 1 S. 2 des Thüringer Waldgesetzes sogar vor, dass eine Änderung der Nutzungsart eines Waldes zur Errichtung von Windenergieanlagen unzulässig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat durch Beschluss vom 27.09.2022 – 1 BvR 2661/21 – entschieden, dass dieses ausnahmslose Verbot von Windkraftanlagen in Wäldern mangels Gesetzgebungskompetenz der Länder verfassungswidrig ist.
Fazit
Ob Windkraftanlagen in Wäldern errichtet werden dürfen, hängt in der Regel von der Ausweisung entsprechender Gebiete in den Landesraumplanungen bzw. in den regionalen Raumplanungen der Kommunen ab. Aufgrund der ehrgeizigen Ausbauziele für erneuerbare Energien und der gesetzlichen Verpflichtung der Länder, Windenergiegebiete festzusetzen, ist aus unserer Sicht fest damit zu rechnen, dass es künftig vermehrt zur Ausweisung von Windenergiegebieten in Wäldern kommen wird.