Umsetzung der EU-Richtlinie zu Arbeitsbedingungen steht kurz bevor – Müssen bald (ggf. ab August) alle Arbeitsverträge zwingend angepasst werden?
13. Juni 2022 | Arbeitsrecht, Compliance, Unternehmensrecht
Zum Hintergrund: Bis zum 31.07.2022 müssen EU-Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen umsetzen. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparente und vorhersehbare Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. Im April 2022 hat die Bundesregierung einen ersten Gesetzesentwurf vorgelegt.
Änderungen des Nachweisgesetzes
Die Umsetzung der EU-Richtlinie führt insbesondere zu Änderungen im Nachweisgesetz (NachwG). Dieses legt bereits jetzt fest, dass ein Arbeitgeber ArbeitnehmerInnen die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses wie unter anderem den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, die Arbeitszeit oder die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgeltes schriftlich mitzuteilen hat. In der Regel erfolgt dies durch den Arbeitsvertrag.
Mit den nunmehr beabsichtigten Änderungen sollen Ergänzungen in der Niederschrift von wesentlichen Vertragsbedingungen angepasst werden. Arbeitgeber haben ArbeitnehmerInnen danach unter anderem zusätzlich über die Dauer der Probezeit, die vereinbarten Ruhepausen, die Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen sowie über das bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses von beiden Parteien einzuhaltende Verfahren zu informieren. Wird die Erbringung der Arbeitsleistung auf Abruf vereinbart, so sollen künftig zusätzlich unter anderem die Anzahl der mindestens zu vergütenden Stunden, eine Frist innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat sowie der Umstand, dass ArbeitnehmerInnen ihre Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen haben, angegeben werden.
Auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erbringung der Nachweispflicht ist eine Änderung vorgesehen. Arbeitgeber sollen ArbeitnehmerInnen die Niederschrift zu einigen wesentlichen Vertragsbedingungen (Name und Anschrift der Vertragsparteien, die Höhe des Arbeitsentgeltes und die vereinbarte Arbeitszeit) künftig bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung aushändigen. Bisher hatten Arbeitgeber hierzu bis zu einem Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses Zeit.
Auswirkungen auf vor dem 01.08.2022 geschlossene Arbeitsverträge
Für Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem 01.08.2022 bestanden, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass ArbeitnehmerInnen den Arbeitgeber zur Aushändigung einer Niederschrift über die wesentlichen und künftig zu regelnden Bedingungen des Arbeitsverhältnisses auffordern können. Die Niederschrift ist ArbeitnehmerInnen spätestens am siebten Tag nach der Aufforderung auszuhändigen und somit fristgebunden. Einer Anpassung bestehender Arbeitsverträge bedarf es allerdings grundsätzlich nicht. Die Information kann auch durch eine Niederschrift außerhalb des Arbeitsvertrages erfolgen.
Bußgeld bei Verstößen
In der Praxis werden die Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz häufig vernachlässigt, da ein Verstoß bisher nicht sanktioniert wurde.
Der neue Gesetzesentwurf sieht nun aber vor, dass Arbeitgeber ordnungswidrig handeln, wenn sie wesentliche Vertragsbedingungen gar nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig niederlegen. Verstöße sollen mit einer Geldbuße bis zu 2.000 EUR geahndet werden können.
Aus der Umsetzung der EU-Richtlinie ergibt sich für Arbeitgeber ein dringender Handlungsbedarf. (Muster-)Arbeitsverträge sind gegebenenfalls anzupassen. Für bestehende Arbeitsverhältnisse empfiehlt es sich, im Falle einer Aufforderung durch ArbeitnehmerInnen entsprechende Informationsschreiben über die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses bereitzuhalten. Die weitere Entwicklung des laufenden Gesetzgebungsverfahrens bleibt abzuwarten. Schon jetzt ist Unternehmen zu empfehlen, entsprechende Vorgehensweisen zu implementieren.
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